Immer ist etwas los. Dauernd passiert etwas. Einige Geschehnisse der unmittelbaren Gegenwart aber haben epochale Bedeutung: Ein Angriffskrieg mitten in Europa. Eine Pandemie, die uns in Atem hält. Eine Klimakrise, die die Bewohnbarkeit des Planeten in Frage stellt. Wie reagiert die Literatur auf solche Krisen? Autorinnen und Autoren verfechten oft moralische Anliegen. In ihrem Schreiben aber vermittelt sich das Gegenwärtige mitunter auch auf eher verschlungenen Wegen.
Für die 19. Ausgabe der O-Töne haben wir ein besonders weit verzweigtes Programm zusammengestellt. Im Zweifelsfall haben wir uns in der Auswahl für das Neu- und Andersartige entschieden. Für Positionen, die man vielleicht noch nicht ganz genau kennt. So erleben Sie diesmal die österreichische Literatur in einer noch nie dagewesenen Breite. Lassen Sie sich von dieser Vielfalt verführen!
Jetzt ist schon wieder was passiert. Ja, genau: Der grandiose Wolf Haas hat diesen Satz zur Marke gemacht. Mit einem neuen Brenner-Krimi, auf den das Publikum lange gewartet hat, eröffnet er das heurige Hauptprogramm. Soviel sei verraten: Die Leichen verstecken sich hier im Wiener Müll. Im neuen Buch von Marie Gamillscheg, dem zweiten Roman der jungen Autorin, stimmt etwas nicht. Sowohl in der menschlichen Gesellschaft als auch im Leben der Meerestiere ist etwas faul. Bei Reinhard Kaiser-Mühlecker geht es hinaus auf das Land. Hier kämpft der Erbe eines Bauernhofes gegen den Zorn, den er in sich trägt. Margit Schreiner und Teresa Präauer gehören unterschiedlichen Generationen an. Ihre beiden Bücher erkunden die Möglichkeiten weiblicher Kindheitserfahrung und Sozialisation. Vor unterschiedlichen biographischen Hintergründen und in ganz verschiedenen literarischen Formen.
Fiston Mwanza Mujila stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und lebt seit vielen Jahren in Graz. Als internationale Größe erhielt er hier unter anderem den Peter-Rosegger-Preis. Sein neuer Roman ist ein Klangkörper der besonderen Art. Alles vibriert in diesem Schreiben und steckt sich in Schwingungen gegenseitig an. Auch Thomas Stangl sucht in seinem neuen Buch nach alternativen Zugängen zu Biographie und Geschichte jenseits der Techniken des klassischen Erzählens. Zum Abschluss bringen wir Heinrich Steinfest nach Wien: Im neuen Buch des seit langem in Deutschland lebenden Österreichers gewährt eine Frau, die auf 1700 Metern Seehöhe eine Buchhandlung betreibt, einem Fremden ohne Namen und Gedächtnis Unterschlupf. Es entsteht ein gemeinsamer Alltag des Lesens und Erinnerns, abgeschieden vom Rest der Welt.
Ganz neue Töne bringen die Debüts ins Konzert der österreichischen Literatur. Eine Tendenz, die heuer besonders auffällt: Bevorzugt werden Rückzugsrouten ins eigene Ich, in geschlossene Räume und psychische Landschaften gesucht. Nicht der freie Himmel, sondern der umbaute Raum gibt vielen dieser Bücher den Rahmen. Wohnhäuser und Anstalten werden bevölkert. Sichere Identitäten lösen sich auf. Auch die Brauchbarkeit des Menschen und seine Nutzwerte stehen zur Debatte. Ein Effekt der Isolation, in der wir uns in den letzten beiden Jahren befunden haben? Fast will es uns so scheinen.
Daniela Strigl, Klaus Kastberger
Konzept und Realisierung
Gabriela Hegedüs und Christoph Möderndorfer
office[at]o-toene.at
MQ – Haupthof (Schlechtwetterquartier nach Vorankündigung)
Eintritt Frei
Eine Kooperation mit dem MuseumsQuartier Wien.